Krefeld. „Ich bin ein Dinosaurier.“ Der Mann, der dies sagt, blickt aus knapp zwei Meter Höhe auf viele herab und ist gerade mal 65 Jahre alt: Reiner Roon, der beliebte Operettentenor am Stadttheater, tritt am 18. Juni zum letzten Mal auf, nimmt seinen Abschied von Krefeld als Baptista in „Kiss me, Kate“. Und er sitzt schon jetzt auf den Koffern, mit denen er zum Spielzeitende die Stadt in Richtung Hockenheim verlässt. Sein Häuschen an der Buschstraße wird dann verkauft sein.
Warum will Roon ein Urwelttier sein? „Wir Leute von der Operette sind ja nur noch die Feigenblätter der Intendanten, die den älteren Besuchern mit der Operette noch was bieten wollen.“ Natürlich gebe es da Ausnahmen, etwa die Show „Elvis lebt“. „Aber die großen Gesangspartien voller Liebe und Lust verschwinden von den Spielplänen.“ Das war vor 29 Jahren, als Roon nach Krefeld engagiert wurde, noch ganz anders: „Da gab es noch ein richtiges Operettensensemble. Drei Operetten pro Spielzeit. Aber seitdem schwoll der Verwaltungsapparat immer weiter an, und die Leute an der Front, die auf der Bühne, wurden immer weniger.“
Aber Reiner Roon trauert nicht über vergangene Zeiten: „Ich habe es glücklich angetroffen. Ich bin zufrieden.“ Desto notwendiger ist es, beizeiten einen Cut zu machen: „Man muss wissen, wann man Schluss machen muss. Jetzt ist es soweit.“ Aber in den Worten „Ich bin fit“ klingt durch, dass er noch zu weiteren Taten Lust verspürt. „Wenn dieser Ruf kommt und mir eine schöne Rolle angeboten wird, dann bin ich bereit. Auf der Bühne stehen – das ist wie eine Droge, von der man schlecht lasssen kann.“ Keinesfalls will er aber zu jenen 80-jährigen Sängern oder Schauspielern gehören, von denen erzählt wird, dass sie noch nach 25 Jahren des Ruhestands ums Theater schleichen: Es könnte ja ein glücklicher Zufall . . . „Nein, in diese Leere falle ich bestimmt nicht.“
Reiner Roon hat eine neue Liebe gefunden, mit der er leben will. Und er malt sich aus, was er dann in den nächsten Monaten so alles machen wird: Kaffeetrinken im Schlosspark in Schwetzingen, mit dem Dampfer den Neckar hoch bis zur Jagst, wo ein Götz von Berlichingen hauste, sein Englisch auffrischen und mit dem Rad – und mit Rückenwind, – durch sommerliche Gegenden fahren. Sich treiben lassen.“ Und lacht dabei, wie nur Tenöre lachen können. Im Übrigen sind es ja mit dem Auto zweieinhalb Stunden bis nach Krefeld, wo er viele Freunde und gute Bekannte zurücklässt. Und er wird am Theater vorbeikommen, in dem er alle die schönen großen Rollen gesungen und gespielt hat.