WIEDER UNTERWEGS
Assaf Levitin
Eisen rollt auf Eisen - ich bin wieder unterwegs.
Ich sitze hier und bewege mich nicht, während ich die Welten wechsle.
Man wechselt von einem Stuhl in einen anderen Sessel, und das nennt man Fahren -
Was für ein Wunder, in einer Maschine zu sitzen!
Und ich, der keine einzige Schraube bauen kann
Von Elektroden ganz zu schweigen
Wie kann es also sein, dass ausgerechnet ich
Diesen Fortschritt, dessen Früchte ich wie ein Sammler genieße, verdient habe?
Meine kleine Welt ist klimatisiert, vernetzt und geschützt.
Doch wenn sie kaputt geht, habe ich Grund zum Fürchten:
Die neue Welt ist mir zwar bekannt, aber mir unverständlich -
In der alten Welt könnte ich keine Minute überleben.
Unter der Motorhaube lauert ein schwarzes Loch.
Ein Labyrinth voller Schläuche und Kabel, und ich kann nicht mal erklären,
Wie man ein Stück Graphit in den Bleistift stecken kann,
Ohne dass dieser dünne Stift sofort abbricht.
Würde die Welt morgen zu Ende gehen und ich wäre alleine geblieben -
Was kann ich mit meinem Verstand wieder aufbauen?
Kaum begreife ich, wie das Licht in meinen Kühlschrank kommt.
Ich hätte in der Schule doch besser aufpassen müssen.
FEMALE CHAUVINIST BITCH
Assaf Levitin
Guten Abend, meine Damen und Herren,
Meine Queers, meine Trans, meine LGBTQI,
Noch bevor wir das Gespräch ins Rollen bringen,
Möchte ich mich bei allen/allem/aller/alles/alldessen/allderen,
Die/der sich nicht angesprochen fühlen/fühlt, entschuldigen.
Ich bin wahrlich kein diskriminierender Typ, und ich möchte nicht
Jemanden/jemande/jemand/jemandes ausschließen.
Aber dieses gleichberechtigte Sprechen
(und daran ist das Hebräisch schuld, nicht ich)
Macht müde, frustriert, ist beleidigend und ausgrenzend.
Es mag sich sehr machoistisch anhören, wenn ich dir sage, meine liebe Sprache,
Dass das Problem bei dir liegt, nicht bei mir.
Was kann ich dafür, wenn meine Muttersprache so eine verdammte Chauvinistin ist
(und apropos: sie ist auch meine Vatersprache).
Komm, sprechen wir darüber, meine liebe hebräische Sprache:
Du bist wunderbar, aber du musst dich ändern.
Du grenzest aus, du forcierst Gender, du beleidigst,
Egal, wie gut man es eigentlich meint.
Ich kann mit dir gar nicht sprechen, ohne daran zu denken,
Dass du eine Frau bist, deren Defekte von Männern bestimmt wurden.
Aber nicht sie, sondern du bist die Zielscheibe für meinen Frust:
Du machst mir alle Gender verrückt!
Hörst du mich, liebe Akademie der hebräischen Sprache?
Komm nicht wieder, bevor du eine Erneuerung gefunden hast -
Irgend etwas mit dem man/frau einen Satz zu Ende sprechen kann,
Ohne als Vollidiot kritisiert zu werden.
MEIN MITBEWOHNER IST TOT
Assaf Levitin
Mein Mitbewohner ist tot
Und ich mach’ mich nach Wohnungen kundig
Denn er starb, und deswegen ist ab sofort
Mein Vertrag fristlos gekündigt.
Ich war nur der Untermieter
Er war schon beinah achtzig
Er sah bestens aus für sein Alter
Als ein Tumor kam, sehr bösartig.
Acht Monate höchstens gab ihm der Arzt
Ich bekam vom Vermieter nur drei Monate
Der Mieter ist tot, ich bin quasi ein Gast -
Er verlangt jetzt die dreifache Miete.
Man findet zu wenig im Mietschutzgesetz
Über die Rechte der Untermieter
Vom Quadratmeterpreis wird man entsetzt
Ich kann mich nicht selbst überbieten.
Das ist mein Zuhause, ich habe nichts anders
Aber das kann ich nicht bezahlen
Er ist tot, und jetzt muss ich was finden woanders
Hier darf ich nicht mehr verweilen.
Jeden Monat habe ich Geld gespart
Und trotzdem bekomme ich nichts mehr
Als ein hässliches Zimmer, weit weg von der Stadt -
So viel bin ich nur wert.
MEIN WIEDERANDERS DEUTSCHLAND
Assaf Levitin
Ich laufe durch die Straße, und es fällt mir schwer
Ich schau mich um, und erkenne meine Stadt nicht mehr
Karstadt meldet Insolvenz, Lufthansa ist in Not
Und wer weiß noch was Schlecker war, das gab’s in jedem Ort?
Es roch nach Zigarettenrauch in jedem Restaurant
Die Fahrkarte am Bahnhof kaufte nur wer Schlange stand
Mit Wochenende Ticket, zehnter Umstieg Buxtehude
War die Strecke München-Hamburg nicht minder als 12 Stunden.
Mein altbekanntes Deutschland, du änderst dich rasant
Mein wiederanders Deutschland, war das so geplant?
Berlin war leere Wohnungen
Von Steglitz bis nach Hellersdorf
Du kamst nach Hause fünf Minuten
Nach der Landung dort in Tempelhof.
Wo ist Schumi, und der Kaiser, Claudia Schiffer Boris Becker?
Und vor allem will ich wissen: was ist passiert mit Schlecker?
Ich vermisse dieses Land
Von kleinen Gassen um die Kirche
Wo man unter der Kastanie gemütlich sein Bier trinkt
Drumherum ist alles grün
Die Kühe fressen leise
Und keiner, weit und breit, der Englisch spricht.
Mein altbekanntes Deutschland, du änderst dich rasant
Mein wiederanders Deutschland, war das so geplant?
Alles ist vergangen, alles verschwand
Ohne eine Spur zu hinterlassen
Komm, Beate Uhse, reich mir deine Hand
Ich bin so allein gelassen.
PING PONG
Assaf Levitin
Sechs Stunden Flug, dann am Telefon
Die sechs Stunden zwischen hier und dort
Sechs Zeitzonen stehen wie ein Klotz Beton
Zwischen meinem gestern und ihrem heut’
Kaum `ne Möglichkeit für und beide Zeit
Für `nen Anruf überhaupt zu finden
Der nicht entweder mitten in der Nacht
Oder morgen früh immer stattfindet.
Mein Wecker schreit: Es ist schon Zeit
Ihr gute Nacht zu sagen
Ich suche jede Möglichkeit
Wie ziehen wir zusammen?
Ich schlage vor: Sag nur ein Wort
Ich nehm den nächsten Flug
Aber begreife langsam, doch -
Sie will mich nicht genug.
Ich bin da, sie nicht.
Ping, Pong, Ping, Pong.
Es ist `ne komische Gemeinschaft
Der eine gibt dem anderen Zeit
Doch mangels Kompromissbereitschaft,
Will der Andere, dass es nur so bleibt.
Diese Entfernung ist schlecht für mich
Diese Entfernung tötet mich
Die wahre Entfernung ist deutlich und schlicht:
Ich will sie haben, sie will mich aber nicht.
Fast sechs Stunden am Telefon
Zwölf Minuten schweigen wir schon.
Jetzt ist der Schlaf mir lieber als sie
Dieses Erkenntnis hatt’ ich noch nie.
Auf einmal versteh’ ich wie einsam ich bin
Und was für `ne Lüge mein Leben bestimmt.
Jetzt bin ich hellwach und ich sag: s’ist vorbei.
Todestunde: neun Uhr dort, bei mir drei.
Ich nicht, sie nicht, Ping Pong
Ich nicht, sie nicht, Ping, Ping, Ping.
DIE FUSSMATTE
Assaf Levitin
Die Fußmatte des Nachbarn S.
Steht immer kerzengerade
Ein Stacheldraht aus Kanvas steht
Wie eine Barrikade.
Ein rotes T gross, im Kopfstand halt
Verschönert diese Matte
Als ob ein Transformer den Finger zeigt
Oder wie ein Warnschild vor einer Sackgasse.
Die Tür ist unbefleckt – kein Wunder, sie hat auch kein Guckloch
Es steht kein Schild, das uns verrät, wer wohnt da überhaupt.
Auch eine Nummer fehlt, und trotzdem wundert‘s immer noch:
Zwölf Jahre sieht sie aus als hätt’ man gestern sie gekauft.
Zehn Treppen Takt sind überall in unserm Treppenhaus
Doch nur bei ihm sind’s elf, warum auch immer
Herr S. Ist oft nicht da, aber wenn doch, weiß ich genau:
Das Pochen seines Besenstocks hört man in jedem unserer Zimmer.
DIE WELT WIRD KÄLTER
Assaf Levitin
Es ist leise und dunkel zuhause.
Ich sitze im Wohnzimmer, bin noch wach.
Es ist so verdammt spät,
Ich kann jetzt keinen Freund anrufen.
Es gibt solche Tage, in denen
Ein Krieg gegen etwas Düsteres
Und eine schmerzliche, bedrohliche Einsamkeit herrscht.
Wenn Ihr mich fragt, wird die Welt nur kälter.
Manchmal, selbst mitten im Sommer,
Ist zwischen den Menschen Nebel.
Manchmal wird das Sonnenlicht
Dich eher blenden, beschämen, entblößen.
Manchmal, selbst mitten im Sommer,
Steckt man den Kopf vor anderen Menschen wie ein Strauß in den Sand.
Manchmal macht das Sonnenlicht
Hässlich, es wird bedrohlich, es erregt Krebs.
Und es kommt ein melancholischer Gedanke,
Der mich aber irgendwie aufmuntert:
Es gibt eintausend Wohnungen um uns herum,
In denen jemand sich befindet, der einsam ist.
Darunter sicherlich auch ein Freund, der mich angerufen hätte,
Wenn er meinen Schlaf nicht geschont hätte.
Na gut, heute lasse ich das so sein, ich bleibe hier,
Um meiner Einsamkeit Gesellschaft zu leisten.
Ich habe mich oft mit der Frage beschäftigt:
Wie wäre es, wenn ich ein bisschen Zeit im Gefängnis verbracht hätte?
Was für ein tolles Buch hätte ich schreiben können!
Wenn ich nur zwei Jahre plötzlich geschenkt bekommen hätte,
Und alles würde stoppen -
Bisher habe ich keinerlei Bücher geschrieben.
Ich sitze nur da und warte, dass all das zum Ende kommt.
Es sind bereits zwei Stunden vergangen.
Der Sonnenaufgang scheint sich heute zu verspäten,
Der Mond ist schon längst untergegangen.
Nur die Stille wird immer lauter.
Wenn Ihr mich fragt, wird die Welt nur kälter.
TA TA-TE TA
Assaf Levitin
Die Kleine übt in ihrem Zimmer
Das neueste Ballett
Die Abschluss-Show kommt näher
Bis dann wird es perfekt.
Sie steht so kerzengrade
Die Arme in der Luft
Sie springt, sie fliegt, sie flattert,
ich höre, wie sie hüpft:
Ta, ta-te ta, ta-fa-te-fe ta te ta
Der große übt in seinem Zimmer
Neue Rhythmen trommeln
Das Schulorchester sucht ganz dringend
einen neuen Trommler
Er schlägt und schlägt, es muss präziser
Werden als ein Metronom
Ich höre wieder, immer wieder
Genau und monoton:
Ta, ta-te ta, ta-fa-te-fe ta te ta
Und auf der Glotze, vor dem Sofa
Sind Pressereferenten
Erklären mir was will Europa
Von Russlandspräsidenten
Gesichtslose Soldaten formen
Einmarsch auf Kiew mit vollem Druck
Das Zimmer bebt von Tanz und Trommeln
Die Welt von gestern kehrt zurück.
Ta, ta-te ta, ta-fa-te-fe ta te ta
DER FREIDEN IST FÜR DEN WAFFENHÄNDLER EINE KATASTROPHE
Assaf Levitin
Er hört die Nachrichten und macht sich große Sorgen
Er schaut auf seine kleine Tochter, wie süß sie schläft bis morgen
Ein Kribbeln steigt von Fuß zum Kopf, das kennt er allzu gut -
Das ist die Angst um seine Zukunft, das ist was sie tut.
Der Moderator spricht von kleinen Deeskalationen
Es wird hier besser sein für künftige Generationen
Sie treffen sich, sie feiern die vermeintliche Annäherung
Wie Mafia-Bosse, das ist gegen ihn eine Verschwörung.
Der Horizont ist düster
Der Morgen kreideblass
Die Kälte in den Knochen
Und nochmals diese Angst -
Der Frieden ist für Waffenhändler eine Katastrophe
Wer kann aus heit’rem Himmel mit so was plötzlich rechnen?
Was soll er bitteschön nun machen? Über Tausend Bomben
Sind noch im Lager, wer wird das abrechnen?
Der Frieden ist für Waffenhändler eine Katastrophe
Es geht um alles, ja, ums überleben!
Er liest die ganze Zeitung, man kann ja immer hoffen
Irgendwo auf dieser Erde müssen’s Kriege geben.
Er ist zu alt um seinen Job zu wechseln.
Sein ganzer Ruf, Knowhow und die Connections
Sind alle in der Welt der Waffenhändler -
Armenien, Tschad, Dschibuti und Albanien.
Jetzt baut man Dämme, Kanalisation
Und stürzt die Führer gegen Korruption.
Wie unverschämt, man legt sich an mit allen
Die immer pünktlich, immer bar bezahlen.
Touristen sind gekommen
Ein Song wird aufgenommen
In beiden Sprachen, und er heißt „wir heißen euch willkommen“
Im Hafen steht ein Schiff
Und frachtet intensiv
Essbare und tragbare Waren, nur nicht explosiv.
Der Frieden ist für Waffenhändler eine Katastrophe
Wie eine Patronenhülse hat man ihn vergessen.
Ihr Idioten, feiert weiter! Singt noch eine Strophe!
Was morgen kommt? Denkt nicht daran. Das werdet ihr schon sehen.
Der Frieden ist für Waffenhändler eine Katastrophe
Und ich bin sehr bewegt davon, dass ihr bekümmert seid.
Doch macht euch nicht um Waffenhändler allzu viele Sorgen -
Ein Waffenhändler findet immer was. Ihr wisst Bescheid.
EYTANS VATER
Assaf Levitin
Eine rote Strohblume
Klebt am weißen Hemd.
Alle Kinder sind weiß gekleidet
Und sprechen leise.
Heute, wie jedes Jahr,
Gehen wir alle zur Gedenkfeier.
Und Eytans Vater wird uns aus dem schwarzen Rahmen auf uns herabschauen.
Wir gehören zur gleichen Schulklasse, aber es gibt einen Unterschied,
Denn Eytans Vater schaut uns aus dem schwarzen Rahmen an.
Sieh mal, wie alle Kinder Eytans Vater anschauen!
Und mein Vater, der Feigling, er lebt noch.
Bis es heute dunkel wird, dürfen wir uns nicht freuen.
Dann ertönt die Sirene, und dann feiern wir aber richtig.
Eytan spricht nicht darüber,
Was mit seinem Vater im Nachbarland
Im Jahre 84 passiert ist.
Jetzt im Libanon, wo alles geschah,
Sieht Eytan aus wie ein Spiegelbild seines Vaters:
Strahlendes Lächeln, lockiges Haar,
Ein schlanker, großer Mann.
Ich schaue ihn an, und es ist schwer auszuhalten.
Wie kommt es dazu, dass mir im Mai plötzlich so kalt ist?
Wir kommen doch beide aus demselben Dorf.
MÖGE GOTT SEIN BLUT RÄCHEN
Assaf Levitin
Ich stehe so vorm Rathaus auf dem Platz in Tel Aviv
Da kommt mir gleich entgegen dieser altbekannter Typ
Ich frag‘ wie es ihm geht und so, und plötzlich wird mir flau:
Mit ihm stand ich beim Attentat auf diesen Fleck genau.
Der ganze Scheiß begann damals als wir uns hier umarmten
Der Mistkerl, wie er unser Land zerstörte ohn‘ Erbarmen
Wir fühlten uns verwaist, er erkannte unsre Schwächen
Möge Gott das Blut unseres Helden rächen.
Dann merk ich, wir erlitten unterschiedliche Verletzungen
Und die Diskussion wird nun zur Auseinandersetzung
Ja, die Wunde war ganz tief, ein Glück, dass wir nicht starben
Doch seit der Heilung tragen wir zwei parallele Narben
Mein Held wird nur von diesem Typ als Mörder diffamiert
Den Mörder nennt er Held, der durch Verschwörung inhaftiert
Die Töne werden hoch, die Augen Rot, und beide sprechen:
Möge Gott sein Blut rächen!
Seit Jahren feiern wir die gleichen Feste, nur getrennt
Der eine jubelt, und sein Nachbar findet’s unverschämt
Selbst über Toten können wir nie wieder einig sein
Der eine feiert seinen Sieg, während der andre weint.
Ist irgendwas geblieben, das uns allen noch gehört?
Ist etwas einfach gut, beziehungsweise unerhört?
Womöglich gab‘s das nie, wer kann schon darüber sprechen?
Möge Gott sein Blut rächen.
Vor lautem „Wer hat’s angefangen“ sind wir fast am Ende
Die Toten brauchen keine Rache, sie sind schon tot
Die, die schon vergangen sind müssen uns nicht mitnehmen
Ihr Blut rächen möge Gott.
PHILISTER ÜBER DIR, DEUTSCHLAND!
Assaf Levitin
From the river to the Hallenbad
das auch wegen Krawallen in diesem Sommer geschlossen wurde
schreien alle Wände nach Freiheit, Sieg und Rache.
Wie süß schmeckt das Baklawah, wenn man ihn es gratis bekommt
Als Trophäe eines so prachtvollen Sieges.
Sie feiern die Vergeltung, betrunken von Hass und Gerechtigkeit
Ihre Hände voller Zuckerwasser
beflecken den Bildschirm, als sie immer neue Filme jubelnd sehen
Wie noch ein David noch einen Goliath enthauptet.
Philister über dir, Deutschland! Und deine Augen sind ausgestochen worden, sodass du nicht siehst, dass Davids Schild auch dich beschützt.
Mit den Philistern willst du sterben? Wer wird dann leben? Was wird man in Gat und in Aschkelon sagen? Und wer wird das Fleisch unserer Schwestern von Hundert Vorhäute der Philistern reinigen?
Ich habe noch eine Heimat, und sie brennt auch.
Ein Wort auf Deutsch geht auch in meinen Hauptschlagader hinein, erfriert mein Blut
Sei es beim Streit zwischen kotzbefleckten Säufern oder beim Mordschrei der Philister.
Heil Allah, Kahana und Hitler
Die Welt ändert sich nie.
BETON NACH GAZA UND BOMBEN NACH JERUSALEM
Assaf Levitin
Der liebe Herr hat mich beschert
mit wunderschönen Kindern
Ein tolles Weib im Geist und Leib -
Nur Wohlstand mir vermied er.
Gesangstalent ist wunderbar
Und macht die Menschen glücklich -
Doch traurig ist mein Honorar,
Dazu verdienen muss ich.
Dann hatt’ ich endlich ein’ Idee
Auf gutes Geld zu kommen
Zum Minus sag’ ich nun: Adé,
Zum Reichtum: Sei willkommen!
Verkauf’ Beton nach Gazastreifen
Und Bomben nach Jerusalem
Die Zukunft meiner Kinder
Ist endlich bombensicher.
Ich hab die Firma eingetragen
Und eine riesen Fracht bestellt
Die zwei Container, wie Geschwister
Im Hafen sind bereitgestellt.
Dort kommt der gelbe LKW
Und fährt die Ware ins Gebirge
Dann kommt ein rosa LKW
Und fährt nach Gaza wieder.
Die Kunden kaufen jede Menge
Und zahlen auf der Kralle
Sie zahlen bar und liebend gerne
Vermeid’ nur eine Falle:
Verwechsle nie: Beton nach Gaza
Und Bomben nach Jerusalem
Mach’s einmal falsch, und dann – O Weia!
Dann ist dein Leben nicht mehr schön.
Mein Girokonto sieht ja aus
Wie eine friedliche Oase
Dort leben glücklich Dollarnoten
Aus Israel und Gaza,
Sie bombardieren mich mit Geld
Moneten fliessen weiter
Wie Sand in eine Terrortunnel
Die plötzlich wird zum Krater.
Sprengstoff und Baustoff, besser geht’s nicht
Man kann doch nie verlieren
Ob Bau, ob Abriss, ob was weiss ich
Hauptsache, ich kassiere.
NICHT MIT MIR
Assaf Levitin
Nicht mit mir
Nicht in meinem Namen
Und nicht mit meinem Sohn.
WAS IN DIE MÜLLTONNE GEHÖRT
Assaf Levitin
Warum sage ich jetzt erst,
gealtert und mit letzter Tinte:
Die Atommacht Israel gefährdet
den ohnehin brüchigen Weltfrieden?
Günther Grass, Was Gesagt Werden Muss, SZ, 10.04.2012
Je größer die Schrift, umso kleiner der Steller
Mit dem Nobel dotiert, bald wird's noch ignobeller,
Deutschlands Gewissen und Papst der Moral -
Herr G.G. der S.S., du kannst mich doch mal.
Man liest dein Gedicht in der Zeitung und staunt:
Wieso ist der Rest deiner Tinte so braun?
Hast so viele Farben, nicht wahr? bist doch Maler!
So schön und so viele - sag, hast du die alle?
Und liest man's genauer, so denket man wohl:
Du hattest gewiß deinen Mülleimer voll.
Sonst hättest du's nicht gleich zur Presse genommen,
Herr G.G. der S.S., es gehört in die Tonne!
Verzeihe mir, Günther, ich bin sehr direkt
Und zeige dir heute kein bisschen Respekt.
Du sollst es verkraften, wenn auch mit Verdruss -
Denn ich sagte dir bloß was gesagt werden muss.
In seinem Buch „Beim Häuten der Zwiebel“ legte Grass offen, dass er sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet habe und daraufhin im Alter von 17 Jahren zur Waffen-SS eingezogen worden sei.
ERZÄHLE DEINEM SOHN
Assaf Levitin
Erzähle deinem Sohn, dass das Gegenteil vom Sklave
nicht der Herr, sondern der freie Mensch ist .
Erzähle deinem Sohn, dass unser Urvater, Adam,
Kein Jude war.
Erzähle es deinem Sohn.
Erzähle deiner Tochter, dass Moses, der tapfere Visionär,
Dessen Volk es auf die Schulter getragen hat, Eine schwere Zunge hatte.
Erzähle es deiner Tochter.
Erzähle deinem Nachbar, dass deine Torah
Man auf einem Bein stehend lernen kann:
Tue dem anderen nicht, was Dir zuwider ist
Nimm keine Bestechung, bedränge den Fremden nicht.
Erzähle es deinem Nachbar.
Erzähle deinem Urenkel, dass dank deines Handelns
Blühen der Feigenbaum und der Weinstock
Mache, dass er nach dir sagen kann:
Und das Land ruhte für vierzig Jahre.
Erzähle es deinem Urenkel.
Erzähle dies tagsüber, erzähle dies nachts
Erzähle dies immer, erzähle es jedem
An die Söhne Israels, an die Söhne Ismaels
In Nazareth, in Ramallah, in Russland und in China -
Und erzähle es deinem Sohn.
SICHER IST SICHER
Assaf Levitin
In meiner Synagoge fühle ich mich wohl
Das Haus ist wunderschön, die Musik ist toll
Du sollst mich dort besuchen, komm doch mal vorbei
Sag mir kurz Bescheid, und ich sag der Polizei -
Sicher ist sicher – mehr sag ich nicht.
Komm doch mal zu Purim, wir erzählen über Esther
Und feiern unsre Rettung hinterm kugelsich’ren Fenster
Zu Pessach feiern wir, dass wir freie Menschen sind
Hinter Gitter sind wir sicher, da passiert uns wirklich nichts.
Sicher ist sicher – mehr sag ich nicht.
Der Wächter Israels, er schläft noch schlummert nicht
Auch mitten in der Nacht hat jemand eine Schicht
Vor der Synagoge steht bereit der blaue wagen
Wann darf er endlich weg? Leider kann man das nicht sagen.
Sicher ist sicher.